Der Behindertenbeauftragte Jürgen Dusel fordert eine Abkehr vom Begriff „geistige Behinderung“. Den Ministern für Arbeit und Gesundheit gibt er Hausaufgaben.

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    10 months ago

    Jürgen Dusel: Ja. Die wirklich überwiegende Anzahl der Menschen, die so genannt werden, empfinden diesen Begriff als stigmatisierend, abwertend und diskriminierend. Sie sagen: „Wir möchten nicht so genannt werden. Unseren Geist kann man nicht behindern.“

    Und was sagen wir jetzt stattdessen?

    Für die Teilhabeempfehlungen, die ich unter anderem dem Gesundheitsminister und dem Arbeitsminister übergebe, verwenden wir den Begriff „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ – das entspricht der englischsprachigen UN-­Behindertenrechtskonvention. Dieser Begriff ist auch nicht unproblematisch, weil es verschiedene Formen der Intelligenz gibt, zum Beispiel die emotionale oder soziale Intelligenz. Aber es ist ein Einstieg in die Debatte um einen neuen Begriff. […] Hängt die Abwertung, die Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen erfahren, nicht an viel mehr als einem Begriff?

    In der Tat. Der medizinische Begriff von Behinderung wurde in den letzten Jahrzehnten von einem menschenrechtlichen abgelöst. Aber Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen werden immer noch viel zu oft als defizitäre Wesen betrachtet. Es wird viel zu viel über sie und nicht mit ihnen gesprochen.

    Wie haben Sie diese Gruppe zu Wort kommen lassen?

    Mein Job ist es, ein Bindeglied zwischen Bundesregierung und Zivilgesellschaft zu sein. Die Teilhabeempfehlungen sind ja nichts, was sich der Behindertenbeauftragte Dusel ausdenkt, sondern Teil eines Kommunikationsprozesses. Selbstvertretungsorganisationen wie „Mensch zuerst“ sind da unsere ersten Ansprech­partner. Ich ziehe persönlich so viel Energie aus diesen Begegnungen und sie zeigen mir, dass wir gut beraten sind, uns auf die Expertise dieser Menschen einzulassen. Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen haben eine ganze Menge zu sagen und können das auch sehr gut artikulieren, wenn sie die Zeit und die nötige Assistenz dafür haben.

    Ich finde er geht auf genau diese Punkte ein. Im weiteren Verlauf gibt er auch Beispiele, wo die Teilhabe konkret verbessert werden muss, etwa Reform der Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Zugang zu Hochschulen und die leichte Sprache bezieht sich im beispiel explizit auf den Arztbesuch. Das habe ich so verstanden, dass die Betroffenen durchaus verstehen was los ist, und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können. Zumindest wenn Ärzte geschult werden und die Zeit haben, ordentlich zu erklären.