Kann es sein, dass du bei einem Plenum warst? Möchtest du mit uns darüber reden?
Ja, möchte ich. Danke für eure Zeit.
Also: Ich gehe nichtsahnend zum Plenum, etwa 20 Leute sind schon da, obwohl das Plenum erst in 20min. beginnt. Ich denke mir „nice, heute kommen wohl viele“. Ich setze mich in eine Ecke und fresse ein paar Chips und Salzstangen, die wir als „Buffet“ da hatten.
Ich sitze da vielleicht 2 Minuten, da höre ich von einer Gruppe von ca. 4 Leuten, die in einem anderen Raum stehen, jemanden Beleidigungen rufen. Laune bei mir schlägt von neutral in neugierig/besorgt um und ich gehe rüber.
Es war ein „Konflikt“ zwischen 3 Personen, die normalerweise nicht da sind und einer Person, die ich auch nicht kannte. Weil ich keinen der Leute kannte und nicht wusste, worum es geht habe ich halt den neutralen Richter gespielt und versucht erst mal zu deeskalieren, indem ich mit der einzelnen Person nach draußen gegangen bin und mir ihre Version der Geschichte angehört habe.
Es ging halt darum, dass sie ihren Rucksack bei der letzten Demo bei einem von den drei anderen gelassen hat, nennen wir ihn Tom. Sie hat mir dann halt erzählt, dass in dem Rucksack 200€ gewesen wären und die da nicht mehr drin gewesen wären, als Tom ihn zurückgegeben hat.
Ich bin dann wieder rein und habe mit Tom geredet. Er hat gesagt, dass er nichts genommen hat und den Rucksack nichtmal geöffnet hätte.
Dann ist die eine Person wieder reingeholt und es ging ein paarmal hin und her, aber weil ich keine der Personen einschätzen konnte und weder Tom noch die Person Zeugen hatte, konnte ich halt nicht mehr machen als sie darum zu beten das privat zu klären.
Das ist eigentlich komplett unwichtig, aber es hat die Stimmung beim Plenum schon ein bisschen vergiftet.
Etwa 30 min. später haben wir dann mit ca. 60 Personen das Plenum angefangen. Erst halt so ein paar Routine-Fragen: Wie viele Nazis haben wir hier? Wie sind die organisiert? Gibt es neue Entwicklungen? Das hat ein bisschen länger gedauert, weil ein paar neuere noch Nachfragen hatten, was ja kein Problem ist.
Dann ging es halt weiter indem man ein paar neuere Entwicklungen angesprochen hat, die lokal stattgefunden haben und dann war halt die Frage: Was haben wir für Lösungsvorschläge? Und absolut niemand hatte irgendwas konstruktives beizutragen. Alle Vorschläge drehten sich darum, dass man sich ja nicht so viel streiten sollte. Und dann hat man darum gestritten, ob man sich zu viel streitet und wer daran schuld ist.
Irgendwann haben wir dann das Thema gewechselt, um irgendwas zu erreichen. Neues Thema: die Recherchegruppe hat was rausgefunden, was man gut veröffentlichen kann und einen Text für die Veröffentlichung vorgeschlagen. Dann begann eine unfassbar ermüdende Diskussion über Formulierungen und einzelne Worte.
Als das durch war, kommt plötzlich irgendein mutmaßlicher V-Mann aus der hintersten Reihe gekrochen und sagt, er wolle „noch mal auf das Thema mit der Formulierung zurückkommen“. An diesem Punkt gebe ich mein Ziel bis 21:00 Uhr hier raus zu sein auf.
Gefühlte 4 Stunden später (in echt vielleicht 20 Minuten) haben wir endlich eine Formulierung, mit der die meisten leben können.
Nächstes Thema: Ein Aktionsplan für die Zeit bis zum nächsten Plenum. Jemand macht einen Witz darüber, dass das ja wie ein Fünfjahresplan wäre. Jemand anderes setzt an, etwas zu erwidern, mutmaßlich irgendwas mit „das ist respektlos gegenüber den Opfer von Fünfjahresplänen“. Der „Moderator“ erweist Voraussicht und schneidet der Person den Satz ab, indem er mit dem Protokoll weitermacht.
Der Aktionsplan läuft überraschend friedlich. Man organisiert ne kleinere Demo, redet über den aufkommenden Protest gegen den AfD-Parteitag in Essen und beschließt ein paar Flyer drucken zu lassen. Die Stimmung wird besser.
In meiner Naivität schätze ich die Lage falsch ein und versuche die gutmütige Stimmung zu nutzen, um eine Verbesserung vorzuschlagen: Wie wäre es, wenn wir die Formulierung der Veröffentlichungen in Zukunft der Recherchegruppe überlassen?
Die meisten sind dafür, aber etwa 14 Leute befürchten, die Recherchegruppe könnte dadurch zu autonom von Plenum werden und sich abspalten. Einige aus der Recherchegruppe fühlen sich beleidigt. Eine „Diskussion“ entsteht. Wir verschieben die Entscheidung aufs nächste Plenum.
Das ist ja unschön. Tut mir leid, dass du deinen Abend so verbracht hast. So schlimm es auch manchmal menschelt, so wichtig ist es, den Blick fürs große Ganze zu behalten: es ist wichtig, dass es Antifagruppen gibt.
Meine Rede