Arbeitsminister Heil will schärfere Sanktionen für einige Bürgergeldbezieher. Doch wie viel bringt das für die Inegration in den Arbeitsmarkt? Experten warnen vor “Nebenwirkungen”.
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“Das Ganze ist aber ein zweischneidiges Schwert”, betont Wolff. Denn es gebe einige unerwünschte Nebenwirkungen. Zwar bescheinigen Studien, dass es Vorteile hat, möglichst schnell wieder in Arbeit zu kommen, um nicht dauerhaft ausgemustert zu werden. Doch eine weitere IAB-Studie kommt zum Schluss, dass Sanktionierte zwar kurzfristig schneller einen Job finden als Nicht-Sanktionierte, sich der Effekt aber langfristig umkehrt. Im Fünfjahresvergleich seien Menschen, die eine Sanktion erhalten haben, sogar etwas öfter ohne Arbeit. Zudem verdienten sie weniger als die Vergleichsgruppe.
Das steht konträr zu dem von Heil mit dem Bürgergeld anvisierten Hauptziel: Menschen in nachhaltige und auskömmliche Beschäftigung zu bringen, von der sie leben können. Und durch eine drohende 100-Prozent-Sanktion bei Nichtannahme eines Jobs könnte dieser Effekt sich wieder verstärken.
Dazu kommen weitere Probleme, vor allem bei scharfen Sanktionen. “30 bis über 50 Prozent haben in einer Studie von 2018 angegeben, ihrer Integrationsfachkraft nach einer Vollsanktion nicht mehr zu vertrauen”, sagt Wolff. “Das ist für die Vermittlung in Arbeit nicht hilfreich.”
Zudem gibt es Kritik an der Treffsicherheit der Maßnahme. Zwar hat Hubertus Heil gegenüber der “Bild”-Zeitung gesagt, die geplanten Verschärfungen sollten “Totalverweigerer” treffen, die dauerhaft nicht mitarbeiten. “Das steht so aber nicht im Gesetzentwurf”, sagt Sozialrechtler Harald Thomé. “Es besteht die deutliche Gefahr, dass diese Sanktionsregel breit gestreut angewendet wird, also bei Ablehnung oder Abbruch einer Arbeit, was dann den Verlust sämtlicher Leistungen nach sich ziehen würde.”
Dann gebe es “kein Geld mehr für Essen, kein Geld für Strom, und auch kein Geld für Telekommunikation”, erklärt er. Die Folgen: Verschuldung droht, besonders, weil das Bürgergeld so niedrig bemessen sei, dass Bezieher keine Rücklagen bilden können.
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Arbeitsanleiter Stefan Wagner hat Sorge vor der Verschärfung: “Sanktionen treffen vor allem die Verwundbarsten.” Bei WALI bekomme er mit, dass viele Angst haben, den Briefkasten zu leeren, oder Post aufzumachen. Sollte es in einer schlechten Phase doch mal zu einem Jobangebot kommen, das dann übersehen wird, stünden die Betroffenen schnell vor dem nichts. Mit möglicherweise dramatischen Folgen: Verschuldung, soziale, psychische oder gesundheitliche Probleme verschärfen sich. “Und von so Menschen gibt es im Bürgergeld viele. Viel mehr zahlenmäßig, als man denkt.”
Auch einige Landkreise, die selbst Jobcenter betreiben, weisen auf diese Risiken hin. So beispielsweise die Sozial- und Jugenddezernentin Christel Sprößler des Landkreis Darmstadt-Dieburg, in deren Verantwortungsbereich das dortige kommunale Jobcenter fällt. “Eine Totalstreichung führt zu absoluten Härten, insbesondere wenn Kinder mit dabei sind. Obwohl die Mieten in diesen Überlegungen nicht betroffen sind, kann die Unterversorgung der Menschen auch zu Wohnungsverlusten führen, was eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt weiterhin drastisch erschwert.”
Auch sie beobachtet, dass weniger Unwille, sondern gesundheitliche Beeinträchtigungen und psychische Erkrankungen der Grund für fehlende Zusammenarbeit seien. Nur ein verschwindend kleiner Personenkreis seien absolute Verweigerer.
Der Sozialrechtler Thomé hält die geplante hunderprozentige Streichung des Regelsatzes in der Tragweite ohnehin für nicht verfassungsgemäß. “Es müssten mindestens Lebensmittelgutscheine vorgesehen sein, und auch die Strom- und Telekommunikationspauschalen müssten weiter ausgezahlt werden, denn Strom gehört zu den Unterkunftskosten, und das Bundesverfassungsgericht hat klar und deutlich gesagt: Diese dürfen nicht tangiert werden, denn dann wäre eine Sanktion verfassungswidrig.” Sonst könnten Betroffene gar nicht weiter nach Jobs suchen. Auch er weist auf das Risiko der Kollektivbestrafung für Verwandte mit hin. “Und wie genau man diese erhebliche Sanktion dann beenden soll, das erscheint mir derzeit nicht ausreichend definiert.”
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Auch im Jobcenter im Landkreis Darmstadt-Dieburg würde man sich über einen anderen Ansatz freuen. Dort setzt man nach eigenen Angaben schon einige Zeit erfolgreich auf aufsuchende Arbeit, um Menschen zu erreichen, die fürs Jobcenter sonst nicht gut zu fassen sind. Und auch Arbeitsanleiter Wagner aus Wetzlar glaubt, dass statt Sanktionieren etwas anderes besser wirken könnte: “Motivieren, den Menschen zeigen, dass sie etwas können, mit ihnen zusammenarbeiten. Das machen wir hier. Und hier zeigt sich: das funktioniert.”
Ich fühle mich vernachlässigt. Warum versucht niemand meine Stimme abzugrasen?
Weil du keine Alternativen hast, die die SPD für gefährlich hält.