Liebes Fediverse,
nachdem ich gestern in der weiten Welt des Internets unterwegs war, bin ich auf das Thema Wohngeld gestoßen und wollte nochmal kurz mit Euch teilen, wie ungleich das System eigentlich ist.
Die meisten, die mit Bafög studieren, wissen: BAföG und Wohngeld vertragen sich nicht. In BAföG ist ein Zuschuss zum Wohnen bereits erhalten. So weit, so gut.
Ich beziehe ein Studiumsstipendium. Die Stipendiumsberechnung ist immer BAföG-Anspruch +300 Euro. In meinem Fall beziehe ich Bafög-Höchstsatz, also 812 Euro, plus 300 Euro = 1112 Euro im Monat.
Was jedoch die meisten nicht wissen: Wohngeld kann man auch beziehen, wenn man ein Stipendium erhält. In fact, wird das Stipendiumseinkommen nur zur Hälfte angerechnet (siehe Punkt 27).
Das heißt auf mich, dass für mein Wohngeldanspruch ich effektiv 550 Euro im Monat beziehe. Wenn man das in einen Wohngeldrechner eingibt (Raum Leipzig), kommt man effektiv bei ~200-220 Euro im Monat Wohngeld raus - höher, als meine Miete ist (205€), Wohnhein.
Ich erhalte also effektiv 500€ mehr als meine Kommilitonen, die “nur” BAföG beziehen. Alles als Darlehen, ohne Rückzahlung.
Wenn man dann noch Kindergeld dazuzählt, kann ich mir ein sehr gutes Leben im Studium gönnen. Alles nur, weil ich in der Stipendiums-Lotterie ein gutes Los gezogen habe. Nebenbei arbeiten mache ich aus Spaß, weil ich Lust darauf habe. Gerade hocke ich in Frankreich für Erasmus, wobei mein Inlandsstipendium weiter läuft.
Bildungsgerechtigkeit geht anders.
Danke für deinen Beitrag. Ja es ist in der Tat lächerlich. Ich hatte damals Bafög Anspruch auf einen zweistelligen Betrag weil meine geschiedenen Eltern gemeinsam „zu viel“ verdienen und dann hätte ich z.B. meine Eltern auf Unterhalt verklagen können, was ich aus offensichtlichen Gründen nicht wollte und dann hätten außerdem meine Geschwister nichts gehabt.
Ich habe mich dann mit 2 Jobs während dem Studium über Wasser gehalten, hab mich auch mal auf ein Stipendium beworben, aber leider wollte mir kein Prof eine Empfehlung geben, da meine Noten wegen den Nebenjobs nicht so gut waren. Ehrenamt konnte ich leider auch keins ausüben, weil ich wegen den Nebenjobs keine Zeit hatte. Ein gutes Motivationsschreiben hat auch nicht wirklich geklappt, weil ich aufgrund meines Migrationshintergrunds und Nichtakademikereltern auch keine Ahnung hatte, wie man sowas macht.
Das könnte man natürlich jetzt auch so auslegen, dass ich einfach nicht begabt genug war. Möchte mich hier nicht doxen aber bin dann später doch unüblich erfolgreich geworden und habe Dinge erreicht, die man mit durchschnittlicher Begabung nicht erreichen kann.
Warum ich das ganze hier teile? Ich finde das System auch außerordentlich unfair und eher eine Art Fördertopf für Akademikerkinder, da Stallgeruch deutlich mehr zählt als tatsächliche Begabung. Ist natürlich nicht ausschließlich so bevor mir da jetzt jemand widersprechen möchte, aber sozioökonomischer Status oder Migrationshintergrund spielen hier deutlich weniger eine Rolle als die Begabtenförderungswerke es darstellen möchten.
Genauso habe ich es auch wahrgenommen. Ich war letztes Jahr auf der Sommerakademie aller Begabtenwerke - mit Abstand die meisten waren weiße Kinder von Akademikereltern. Es gab auch Gegenbeispiele, besonders die linken Förderwerke hatten gute Durchmischung - aber die Kerndynamik war meiner Meinung nach eindeutig.
Schön dass dir dein Privileg aufällt und du den Drang hast es zu thematisieren. Aber Stipendien der “Begabtenförderung” sind nun wirklich nicht unter den wichtigsten Faktoren für Bildungsungerechtigkeit. Schon gar nicht eignen sie sich, um zu zeigen, “wie ungerecht es wirklich ist”.
Bei manchen Stipendienwerken wird der sozioökonomische Status bei der Vergabe berücksichtigt. Hier wird Bildungsungerechtigkeit gezielt entgegengewirkt - mit Erfolg.
Dass Wohngeldbezug geht finde ich auch Unsinn - habe ich dann btw. einfach nicht beantragt.
Merkwürdig finde ich deinen Fokus. Das normale Bafög ist z.Z. (verfassungswidriger weise?) Zu gering um städtische Mieten zu bezahlen und davon zu leben. Wäre es nicht naheliegender, bzgl Bildungsungerechtigkeit Bafögerhöhung einzufordern anstatt ein “Zuviel” bei Stips zu monieren?
Wenn es eher um schlechtes Gewissen geht, schau mal nach dem Solifond der HBS. Da spenden Stips Prozente ihres Stipendiums für Aufbau/Unterstützung linker Projekte im Globalen Süden (wo die Menschen weit davon entfernt sind, sich etwas wie Bafög erstreiten zu können).
Hm, ich stimme Dir nicht zu. Ich bin bei einem der linken Begabtenförderungswerke, welches sehr viel Wert auf Inklusion legt. Es ist trotzdem sehr krass, wie viele Akademiker*innenkinder bei uns sind. Die Korrelation Elternhaus-Noten ist sehr gut bekannt, und bei allen Förderwerken sind Noten ein gewichtiger Faktor.
Ich finde es allerdings sehr ungerecht, dass ich zum Teil mehr Geld habe als Personen, die 40-Stunden-Wochen arbeiten. Das Problem sind nicht zwangsläufig die Stipendien an sich, sondern eher die Verteilung von Geld. Die Stipendien sind aber Teil des Probleme, weil wir aufgrund von großem politischen Willen existieren, eine wie auch immer geartete “Elite” ranzuziehen. Das Wohngeld ist auch Ausdruck des Problems.
Ziel linker Individuenförderung kann ja nicht unmittelbar Verteilungsgerechtigkeit sein, weil die eine Änderung der Gesellschaftsordnung erfordert. Sie kann es also nur mittelbar sein, nämlich über das fit machen und in Machtpositionen verhelfen von Leuten, die Gesellschaft verändern wollen. Dabei z.b. migras, flinta besonders zu fördern ist zweifellos wichtig (Credibilität, Utopie muss immer auch Präsens gelebt werden) und strategisch richtig (tatsächliche Klasseninteressen).
Dennoch ist es in diesem strategischen Scope durchaus sinnvoll, die engagierten Akademiekinder auch zu fördern, eben um deren besondere Ressourcen nutzbar zu machen, also geschichtsmächtig werden zu lassen. Das mündet natürlich in einer Art Elitenförderung. Das Kalkül ist m.E. dann eben eines mittelbarer Wirkung. Im Übrigen machen die Gegenseiten das auch, ihre Eliten fördern. Und mit denen konkurrieren wir letzlich um Machtressourcen (wie profstellen, ministerien etc).
Es kommt am Ende nicht so sehr darauf an, ob du 300e mehr/Monat bekommst, sondern ob du die freigewordene Zeit und ideelle Ressourcen nutzt, um, sagen wir mal, an der Überwindung des Kapitalismus mitzuwirken. So würde ich die ganze Förderwerkssache aus linker Perspektive strategisch einordnen…
Ich verstehe den Punkt absolut. Meine Aussage ist aber, dass ich eben mehr als “nur” 500 Euro mehr im Monat bekomme, weil damit auch enorme Ungleichheit gegenüber anderen Studis einhergeht. Ich muss, das Geld nicht zurückzahlen, und erhalte zum Teil mehr Geld als arbeitende Menschen, ohne dabei einen signifikanten Beitrag an Gütern oder Dienstleistungen zu produzieren. Im Endeffekt zahlt die Gesellschaft gerade für mich enorm drauf - in Form vom Stipendium, Wohnheim, staatliche Uni, ÖPNV-Ticket, Familien-GKV,…
Es ist mir mit diesem Post einfach sehr wichtig, einen Einblick reinzugeben, wie einfach privilegierte Machtgefälle entstehen können. Nach dem Motto: wer hat, dem wird gegeben; wer nicht hat, der hat halt Pech und muss schauen, wie man über die Runden kommt (looking at you, 800€ BAföG).
Obwohl der Aspekt der Elitenförderung nachvollziehbar ist, finde ich, dass sobald ich mehr im Monat verdienen kann als zwei meiner Kommilitonen (die nicht ganz Höchstsatz beziehen, von denen gibt es ja einige), für genau das selbe Studium, hat das System einen strukturellen Fehler.
Interessant, dass Dir trotzdem Wohngeld zusteht. Bei einem Kommilitonen, dem aufgrund des Einkommens seiner Eltern kein Anspruch auf BAföG zustand, hieß es, er könne kein Wohnheld beantragen, da er als Student ja (theoretisch) BAföG-berechtigt wäre.
Exakt. Es ergibt absolut keinen Sinn, weil mein Stipendium ja mit dem BAföG verknüpft ist.